Hülse (Patronenhülse)
Die Komponenten der Patrone: Die Hülse
Themen dieses Artikels:
Die Hülse – Beschaffenheit, Auswahl und Vorbereitung
Von Ausnahmen wie Schrotpatronen abgesehen, besteht die gängige Hülse des Wiederladers aus Messing. Messing ist kein elementares Metall, sondern besteht aus Kupfer und Zink. Eselsbrücke: „Messzink“. Der Anteil von Kupfer beträgt in der Regel um 70%, der Rest besteht aus Zink. Eine oft gebräuchliche Legierung wird MS 72 bezeichnet. Dabei steht die Zahl 72 für 72 Anteile Kupfer, die fehlenden 28 Teile Zink muss man sich hinzu denken. Die Aufgabe der Hülse besteht auch darin, die Komponenten Geschoss, Treibladungsmittel und Zündhütchen zu beherbergen. Aber die wichtigste Funktion ist der Dichtungseffekt der Hülse im Patronenlager, während der Gasdruckentwicklung beim Schuss.
Der Fachausdruck dafür lautet „Lidern“. Wie und bei welchem Gasdruck eine Hülse lidert, ist außer vom Druck, im Wesentlichen von der Mischung der beiden Metalle Kupfer und Zink, sowie der Dicke der Hülsenwandung abhängig. Nähme man nur Kupfer, würde die Hülse prima lidern. Aber anschließend bräuchte der Schütze einen Gummihammer und einen Messingstößel, um bei den hohen Gasdrücken unserer heutigen Großkaliberpatronen die Hülse wieder aus dem Lager zu lösen. Erst die Mischung aus Kupfer und Zink befähigt die Hülse, nach dem Aufblähen in der Gasdruckspitze wieder etwas zu schrumpfen. Dieses Verhalten wird als „Rückspringeffekt“ bezeichnet. So erst wird gewährleistet, dass die Hülsen nach dem Schuss ohne wesentliche Anstrengungen ausgeworfen werden.
Soweit die Theorie! Wer aber kennt nicht den seine Ausstoßerstange auf die Brüstung dreschenden Revolverschützen, der endlich nachladen will. Mit etwas Erfahrung kann ein Wiederlader Hülsen mit rötlichem Glanz – oder sogar Flecken – als solche mit sehr hohem Kupferanteil identifizieren. Diese Lidern zwar hervorragend, neigen aber bei höheren Gasdrücken auch zum Kleben. Öfters abgefeuert, verlieren Hülsen allmählich ihre Elastizität, denn nach dem Lidern muss sich der „Rückspringeffekt“, also das Schrumpfen einstellen, um anstandslose Extraktion zu gewährleisten. Dazu kommen manchmal unsauber gearbeitete Patronenlager, oder solche, die an den oberen (verschmauchte Hülsen) oder unteren Toleranzen (auch bei geringerem Gasdruck stets spiegelblanke Hülsen) der Maßtafeln liegen.
Letztlich ist es bis auf grundlegende Dinge jedem Hersteller überlassen, welche Legierung, und im Rahmen der Drucksicherheit und Maße, welche Dimensionen zum Beispiel das Bodenstück oder die Wandung seiner Hülse hat. Diese Informationen sind für Wiederlader von großer Bedeutung. Besonders für den weit verbreiteten Typ des „Goldsuchers“. Dieser ist oft nach dem Schießen in tiefster Gangart auf Schützenständen unterwegs, und sammelt dort Hülsen. Zwar wird das Augenmerk meist auf eine bestimmte Marke gerichtet, haben sich die Unterschiede der „Inneren Werte“ einer Hülse ja mittlerweile herumgesprochen, doch selbst hier steckt der Teufel im Detail. Unser Sammler dürfte den Vorrat erst ab einer gewissen Menge nutzen, um zu verhindern, dass nach einigen Jahren reger Sammelei fast fabrikfrische Hülsen zusammen mit solchen genutzt werden, die schon lange im Gebrauch stehen – alte Hülsen lidern anders als neue!
Doch auch diese Praxis wäre nur die halbe Miete. Denn es haben, und das ist noch viel wichtiger, sich heutzutage schon einige, selbst namhafte Munitionshersteller, von eigener Hülsenfertigung verabschiedet. Hülsenfabrikanten aber, die sich nur auf die Fertigung von Hülsen verlegt haben, bieten ihre Dienste natürlich jedem Munitionshersteller an. Was daraus folgen kann, sei kurz in einem Beispiel erklärt:
Ein Munitionshersteller kaufte letztes Jahr beim Hülsenhersteller in A-Land. Dieses Jahr ist er unzufrieden, und deckt seinen Bedarf nun beim Hülsenfabrikanten in B-Land. Damit fertigt er nun, außer mit einer für den Laien „unwichtigen“ anderen Losnummer, optisch von älteren Losen nicht zu unterscheidende Patronen.
Unser Sammler freut sich weiter über sein stetig wachsendes Los von Hülsen des Munitionsherstellers der Marke XY, nichts ahnend, dass er nach zwei Jahren zwei völlig verschiedene Hülsenhersteller - die den Munitionshersteller natürlich immer mit demselben Bodenstempel beliefern - in seinem Sammelsurium beherbergt. Theoretisch kann jeder entsprechend gut situierte Mensch zu einem Hülsenhersteller gehen, und einige hunderttausend Hülsen XYZ-Kaliber in Auftrag geben. Ein anderes Beispiel sind während unserer Versuche verwendete Federal-Hülsen .45 ACP. Die Hülsen stammten aus Testreihen mit Fabrikpatronen der Sorte Federal Gold Medal mit 185 Grains-Geschoss (FMJ- SWC). Rein zufällig bemerkten wir, dass an den anscheinend völlig gleichen Hülsen der Hersteller ab einer bestimmten Losnummer den Durchmesser der Zündkanäle erheblich verändert hat. Selbst ohne weitere Versuche mit gemischten Losen kann man prinzipiell schon die Aussage vertreten, dass eine Mischung der beiden Lose auf keinen Fall präzisionssteigernd wirken dürfte!
Nur derjenige, der sich mit einer bedarfsgerechten Menge fabrikfrischer, originalverpackter Hülsen oder Patronen eindeckt, besitzt tatsächlich Hülsen eines Fertigungsloses von einem Hersteller.
Wichtig: Nie bei gegebenen Ladeempfehlungen das Hülsenfabrikat wechseln, wegen unterschiedlicher Innenmaße können Gasdrucksprünge und Überdruck die Folge sein!
Zündglocken und Zündlöcher
Leider ist selbst bei diesem Vorgehen der Wiederlader noch nicht aller Sorgen ledig. Da ist zum einen das wenig beachtete Phänomen der exzentrischen Zündlöcher. Dieses wird auf unserer Abbildung verdeutlicht. Um gleich allen Vermutungen vorzubeugen, heben wir nicht „gute“ Hersteller oder Marken hervor, oder prangern „schlechte“ an. Im Lauf der Jahre konnten diese Merkmale bei fast jedem, selbst namhaften Hersteller von Zeit zu Zeit festgestellt werden. Der Hintergrund dieser „schrägen“ Zündlöcher liegt unter anderem bei der Kontrolle während der Fertigung. Hat der Hersteller längere Kontrollintervalle, sind vielleicht schon einige zehntausend Hülsen mit exzentrischen Zündlöchern durchgeschlüpft, sind die Intervalle klein, vielleicht weniger. Natürlich spielt auch die Leistungsfähigkeit und Toleranztreue der Maschinen eine große Rolle. Durch exzentrische Zündlöcher wird die Zündung, bedingt durch die unkontrollierbar im Treibladungsmittel einschlagende Zündflamme, unregelmäßig.
Nicht nur, dass bei Exzentrizität die Flamme mal in, mal über der Treibladung liegt, stark exzentrische Zündlöcher werden auch zum Teil durch die Füßchen des Amboss verdeckt. Dann entstehen noch stärker abgelenkte Zündflammen. Hier hilft nur die Sichtkontrolle des zum Kauf anstehenden Hülsenloses, um die durch unregelmäßige Zündung verursachten Druck- und damit Präzisionsschwankungen zu verhindern.
Die messbare Unregelmäßigkeit der Zündung drückt sich in höheren Geschwindigkeitsschwankungen aus. Sie ist auch an der schlechteren Präzision solcher Patronen, besonders bei Wadcutter-Laborierungen, belegbar. Das Phänomen legt sich zwar weitgehend bei Ladedichten über 0,7, aber die wenigsten Sportschützen favorisieren harte Laborierungen, meist finden wir mittelschnelle Treibladungsmittel mit Ladedichten zwischen 0,4 bis 0,6. Übrigens existieren für Benchrest-Ansprüche Hülsenhersteller, die das Zündloch exakt zentrisch bohren, nicht mit einem Dorn stoßen
Auch die Zündglocke kann Tücken bereit halten. Ab und zu finden sich Hülsen von Munition, die für militärische Verwendung gefertigt wurde, aber dann als Surplusmunition auf den zivilen Markt kam. Bei diesen Hülsen ist manchmal die Ringfuge zum Zündhütchen verstemmt. Der „Crimp“ um das Zündhütchen kann so stark sein, dass der Ausstoßerdorn durchfährt. Zumindest lässt es sich nur schwierig ausstoßen. Auf jeden Fall aber hindern die Grate beim Setzen eines neuen Zündhütchens.
Unterschiedliche Hülsenlänge
Sind Sie nun endlich Besitzer eines neuen Hülsenloses, wartet immer noch etwas Arbeit. Rekalibrieren Sie Ihre neuen Hülsen erst einmal – auch fabrikfrische Hülsen sind nicht immer ladefertig.
Nehmen Sie sich nun eine Schieblehre, ein Blatt Papier sowie einen Bleistift, etwa 50 rekalibrierte Hülsen und eine viertel Stunde Zeit. Messen Sie die Hülsenlänge jeder Hülse, und notieren Sie die Werte. Sie werden feststellen, dass sie einen Haufen Hülsen eines Mittelwertes auf Ihrem Blatt stehen haben, aber auch eine ganze Menge, die darunter oder darüber liegt. Bei Hülsen .357 Magnum ist eine Längendifferenz von etwa zwei zehntel Millimeter durchaus normal. Bei einem Los von 500 Stück sogar bis drei Zehntel. Nun müssen Sie nicht erst alle Hülsen messen, es reicht, etwa den kleinsten Nenner festzustellen, und darauf den Hülsentrimmer einzurichten.
Informieren Sie sich über die jeweiligen gesetzlich vorgeschriebenen Maße der in Frage kommenden Hülse bevor Sie ablängen, draufschneiden klappt nicht!
Außer den reinen Längenunterschieden egalisieren Sie mit dem Trimmen noch ein weiteres hin und wieder auftretendes Übel, und zwar den schief ausgezogenen Hülsenmund. Die in unserer Abbildung gezeigte, fabrikfrische Hülse .44 Mag. wurde lediglich rekalibriert und aufgeweitet. Dreht man während der Längenmessung einer noch nicht bearbeiteten Hülse diese mal rund, ist hin und wieder ein „eiern“ spürbar. Dies ist in aller Regel auf einen schief ausgezogenen Hülsenmund rückführbar.
Wird mit solch einem Material gearbeitet, schließt der Crimp an der kürzeren Flanke gar nicht, zur ansteigenden Seite wird er stärker, und an der höchsten Stelle beißt dann der Hülsenmund sogar in den Geschossmantel. Die Präzision solcher Laborierungen dürfte nicht zur Debatte stehen.
Ja, ein guter Hülsentrimmer ist eine zusätzliche Investition und beschert eine Menge zusätzlicher Arbeit, überdies noch eine nervtötende, da nach dem Ablängen ja auch noch innen und außen entgratet werden muss. Doch die Sache, bei Gewehrschützen schon lange Usus, lohnt sich auch bei Kurzwaffenpatronen. So konnte Ingenieur Wolfgang Laube in einem Artikel der Zeitschrift „Visier“ nachweisen, dass mit abgelängten Hülsen .357 Magnum eine wesentliche Verbesserung der Präzision erfolgt. Warum, ist ganz einfach. Nehmen Sie sich mal eine Hülse mit Durchschnittslänge, eine mit minimaler sowie eine mit Maximallänge, und stellen Sie Ihre Wiederladepresse auf die mittlere Hülsenlänge ein. Fertigen Sie nun eine Patrone so, wie sie es für richtig halten. Dann nehmen Sie die kurze Hülse. Sie werden schon beim Auftrichtern feststellen, dass „etwas“ nicht stimmt, der Widerstand ist geringer, der Trichter kleiner.
Beim Crimpen werden Sie feststellen, dass der Crimp-Widerstand geringer, und der Crimp selber wieder „anders“, also ebenfalls geringer ausfällt. Beim langen Pendant werden Sie merken, dass sowohl beim Aufweiten als auch beim Crimpen der Widerstand höher ist – Sie haben nun drei Patronen, die bedingt durch die unterschiedliche Hülsenlänge völlig unterschiedliche Ausziehwiderstände aufweisen, obwohl die Gesamtlänge der Patronen gleich geblieben ist. Klar, dass dadurch auch die Präzision leidet.
Erst bei Verwendung auf gleicher Länge getrimmter Hülsen haben sie gleiche Einsetztiefe der Geschosse, gleichen Crimp, und damit weitgehend exakte Ausziehwiderstände. Wer sich diese Arbeit trotzdem schenken möchte, sollte zumindest die bei fabrikfrischen Hülsen oft recht scharfkantigen Hülsenmünder entgraten. Dadurch wird verhindert, dass beim Setzen des Geschosses der Mantel abschabt. Eine innerhalb der gesetzlichen Dimensionen liegende Hülsenlänge ist besonders bei Flaschenformen wichtig, da es bei zu langen Hülsen zu Gasdrucksteigerungen kommen kann.
Unterschiedliche Hülsenwandstärke
Die Hülsenwandstärke beeinflusst den Ausziehwiderstand stark! Relativ dickwandig sind die Marken Starline oder PMC, dünnwandig Remington oder Winchester. Der erste denkbare Fall ist ein geringer durchmessendes Geschoss, zum Beispiel .355 statt .356 in einer dünnwandigen Hülse 9 mm Luger. Fügen Sie ein Geschoss mit geringerem Durchmesser zu einer dünnwandigen Hülse, haben Sie einen geringeren Ausziehwiderstand, weniger Leistung, vielleicht sogar unregelmäßige Verbrennung des Treibmittels. Gasschlupf und mangelnde Führung können die Folgen sein, die Präzision dadurch vermindert werden.
Als Beispiel zur Abhilfe seien hier die in Abstufungen von 0,001“ erhältlichen H&N-Geschosse für verschiedene Kaliber genannt. Manche Sportpistolen in 9 mm Luger laufen erst mit Geschossen Kaliber .357 zur Topform auf. Andererseits können solche etwas überkalibrigen Geschosse in Verbindung mit dickwandigen Hülsen in manchen Pistolen bedingen, dass der Schlitten nicht völlig vorläuft, manchmal muss von Hand nachgeholfen werden. „Dicke“ Geschosse in Verbindung mit dickwandigen Hülsen (kleineres Innenvolumen) sind gasdrucksteigernde Faktoren! Leider existieren Waffenhersteller, die einen engen Lauf auch mit einem engen Patronenlager kombinieren. Meist ist die Kombination eines nächsthöheren Geschossdurchmessers mit einer dickwandigen Hülse Grund dafür, dass zwar die Präzision besser, aber die Funktion schlechter ist. An minimalen Toleranzen liegende Lauf- und Lagermaße sind gasdrucksteigernde Faktoren! Funktionsprobleme können mittels dünnwandiger Hülsen vermieden werden.
Der Trick ist, zum optimalen Geschoss die optimale Hülse zu fügen, um nicht auf Kosten der Präzision die Funktion zu stärken, andererseits nicht die Funktion auf Kosten der Präzision zu schwächen.
Hülsenreinigung
Anscheinend eine Glaubensfrage: Die Reinigung. Manche Gewehrschützen reinigen sogar nur hin und wieder! Allerdings ist das die Minderheit. Letztlich sieht man eventuelle Risse in einer blanken Hülse viel besser als an einem Schmuddelkind. Auch mag eine „raue“ Hülse in einer Selbstladewaffe eine Störung verursachen. Eine häufig abgeschossene Hülse, besonders bei Verwendung von Bleigeschossen, kann Rückstände aufbauen, die gasdrucksteigernd, oder beim Schuss ausgeworfen, laufschädigend wirken können. Ob mit trockenen oder flüssigen Mitteln gereinigt wird, muss jeder nach seinem Geschmack entscheiden. Die im Handel erhältlichen Trockentumbler sind durch die Bank bewährte Muster.
Haben Sie sich für ein Modell entschieden – kaufen Sie sich am besten die nächst größere Ausführung, es lohnt sich! Je weniger Hülsen relativ zum Poliergranulat in der Trommel sind, desto schneller wird der Vorgang abgeschlossen. Ein flüssigkeitsgeeigneter Tumbler (links unten) wird von RCBS und Lyman hergestellt. Die Reinigungswirkung ist je nach Chemikalie etwas besser als bei Trockengeräten, man muss aber nach dem Reinigen zusätzlich an den Trockenvorgang der Hülsen denken.
Noch eine Glaubensfrage: Die Reinigung der Zündglocke. Manche säubern sie mit speziellen Kratzern, andere laden seit Jahren auf einer Mehrstationenpresse mit automatischer Umsetzung, bei deren Arbeitsweise ein solcher Schritt unmöglich dazwischengeschaltet werden kann. Hier muss jeder selbst entscheiden, welcher Fraktion er sich anschließt. Wir haben keine Hinweise auf schlechtere Präzision oder mögliche Gefahren bei ungereinigten Zündglocken.
Berdan- und Boxer-Hülse
Berdan- und Boxer-Hülsen unterscheiden sich nur in der Zündglocke und im Zündhütchen. Daher ist das Aufsammeln von Hülsen bei manchen Kalibern mit Vorsicht zu genießen, denn äußerlich ist der Unterschied nicht erkennbar. Nur unter sehr hellem Licht kann in einer gebrauchten Hülse am Boden anhand des Zündlochs der Unterschied festgestellt werden.
Wichtig: Rekalibriermatrizen mit mittigem Ausstoßer sind nur auf die Verwendung von Boxer-Hülsen mit zentralem Zündloch ausgelegt! Berdan-Hülsen führen zu Beschädigungen und Störungen im Arbeitsablauf!
Bei Berdan-Hülsen ist der Amboss Bestandteil der Hülse, bzw. der Zündglocke. Er sitzt mittig in der Zündglocke. Es sind zwei, manchmal auch drei kleine, nicht zentrische Zündlöcher zu sehen. Boxer-Hülsen haben in der Zündglocke nur das zentrale Zündloch, der Amboss ist Bestandteil des Zündhütchens.
Gerade bei ungebräuchlichen oder alten Kalibern neigt der Wiederlader in der Not zum Ankauf von Berdan-Hülsen oder Surplusmunition mit Berdan-Hülsen. Dies sollte aber nur ein Notanker sein, wenn gar nichts anderes mehr geht. Die Verkäufer verschweigen nämlich gern den Umstand, - oder wissen nicht darum, - dass Berdan-Hülsen schon manchmal nach drei- oder viermaligem Wiederladen nicht mehr richtig zünden. Das liegt zum Teil an der Konstruktion der Berdan-Hülse, zum Teil an zu großen Schlagbolzenvorständen, zum Teil an der recht herzhaften Schlagenergie der Schlösser alter Militärwaffen.
Der Amboss der Berdan-Hülse nimmt über den Boden des Zündhütchens zwangsweise den Schlag des Schlagbolzens auf. Ist dessen Vorstand zu weit, oder die Schlagenergie für die mittlerweile „weicheren“ modernen Zündhütchen zu hoch, wird der Amboss regelrecht zurückgedengelt. Die Folge sind Fehlzündungen, die sich anfangs noch durch mehrmaliges Abschlagen umgehen lassen, aber irgendwann ist die Sache ausgereizt. Das soll nun nicht heißen, dass dem immer so ist. Aber leider tritt der Umstand der relativ kurzen Lebensdauer von Berdan-Hülsen deswegen recht häufig auf. Von möglichen Beschädigungen des Amboss beim Entzündern oder wegen Rissen in altersversprödeten Hülsen mal ganz abgesehen.
Wir empfehlen bei Kalibern, in denen es keine fabrikfrischen Boxer-Hülsen mehr gibt, dem Umformen passender Hülsen aus Basishülsen oder geeigneten Fremdkalibern immer den Vorzug zu geben. Auch wenn die Investitionen wegen des Umformsatzes wesentlich höher sind, wenn eine Waffe regelmäßig bewegt werden soll, zahlt sich diese auf Dauer immer aus. Unbrauchbare Hülsen zerquetschen Sie am besten mit einer Zange.
Berdan-Entzünderungsgeräte
Die schnellste und besonders für größere Stückzahlen geeignete Methode funktioniert hydraulisch. Das Berdan-Entzünderungsgerät von Erich Bischof (www.erich-bischof.de) besteht aus einem zylindrischen Grundkörper als Wassertank und einer zum jeweiligen Kaliber passenden Ausstoßerdüse. Die Düse dichtet beim Aufsitz über den Zündkanälen mittels eines Kupferringes ab. Das Wasser wird mit einem Schlag eines Gummihammers auf den kopfseitig herausstehenden Stößel unter hohem Druck über die Zündkanäle direkt in die Zündglocke gepresst und das Zündhütchen somit ausgestoßen. Der Hülsenboden steht dazu auf einem ringförmigen Distanzstück. Unter dem Distanzstück sollte sich ein saugfähiges Handtuch befinden. Die Düsen werden für knapp 30 verschiedene Kurz- und Langwaffenkaliber angeboten.
Die Berdan-Entzünderungszange von RCBS ist das älteste und universellste Gerät, aber auch das umständlichste. Der Begriff „Zange“ ist etwas irreführend, da der zweite Griff nur die Handhabe der Hülse darstellt und nur im Moment der Entzünderung mit dem aushebelnden Meißel verbunden ist. Durch diese etwas wackelige Angelegenheit resultieren öfters Beschädigungen am Hülsenboden oder Rand. Auch führt ein nicht exakt eingestellter Meißel zu Beschädigungen an Amboss oder Glocke. Im Praxistest verbog sich schon bei der 8 mm Lebel-Gewehrhülse deren Hals, weil die Handhabe einen kleinen Durchmesser hat, um möglichst viele unterschiedliche Hülsen aufnehmen zu können. Bei kleinen Zündhütchen – Kurzwaffenkaliber wie die 7,5 mm Schweizer Revolverhülse – kam es fast immer zu Beschädigungen des Amboss.
Hülsenformen und Verschlussabstand
Waffenspezifisch bedingt sind verschiedene Hülsenformen in Umlauf. Bei den meisten Kurzwaffen finden sich zylindrische Hülsen mit Rand (Revolver) oder leicht konische oder auch zylindrische Hülsen mit Rille (Pistolen). Bei Langwaffen finden sich oft Hülsen mit Schulter, sowohl mit Rand, als auch mit Rille, diese meist in Repetierern oder Selbstladern. Aber auch konische Hülsen mit Rand sind gebräuchlich, diese meist in Kipplaufwaffen. Als Sonderform finden sich Gürtelhülsen, Hülsen mit eingezogenem Rand oder solche mit Halbrand. Eine Systematik für die Benennung der verschiedenartigsten Formen bezieht sich auf bestimmte Form-Merkmale der Hülsen. Wichtig ist das Merkmal, über das der Verschlussabstand gebildet wird.
Wichtig: Der Verschlussabstand ist das Längenmaß zwischen dem Hülsenboden und dem Stoßboden des Verschlusses bei geschlossener oder verriegelter Waffe. Bei Büchsenpatronen darf er je nach Kaliber etwa zwischen 0,1 und 0,2 Millimeter liegen. Zu großer Verschlussabstand beeinträchtigt die Sicherheit des Schützen, zumindest die der Waffe! Häufig sind querverlaufende Hülsenreißer ein Indiz für zu großen Verschlussabstand.
Der Verschlussabstand wird in der Regel bei Randhülsen über den Rand, bei Gürtelhülsen über den Gürtel, bei Schulterhülsen über die Schulter gebildet. Leicht konische Hülsen (meist Pistolenkaliber) bilden den Verschlussabstand über den Hülsenmund. Näherungsweise kann der Verschlussabstand mit auf den Hülsenboden geklebten Schusspflastern (Dicke 0,1 mm) geprüft werden.
Daneben finden sich immer wieder Sonderformen. So existieren Hülsen mit Halbrand. Dieser übertrifft nur geringfügig den Bodenteil im P1-Bereich (Durchmesser des Hülsenkörpers am Rand beziehungsweise vor der Rille). Der Verschlussabstand wird aber über den Mund gebildet. Weitere Sonderformen haben einen eingezogenen Rand, wie die .45 Blaser oder die .50 Action Express.
Umformen von Hülsen und Verschlussabstand
Seltene oder nicht mehr in Produktion befindliche Patronen reizen dazu, das fehlende Hülsenmaterial aus gängigen Hülsen umzuformen. Bei Hülsenmundanliegern treten, abgesehen von möglicherweise anderen Innenvolumina, die durch entsprechende Treibmittelauswahl berücksichtigt werden können, kaum Probleme auf.
Anders ist das bei Hülsen, die den Verschlussabstand über die Schulter bilden. Das geht noch in den Fällen, in denen die angestrebten Hülsen einen kleineren Schulterwinkel haben, und kürzer sind. Die Schulter der Ausgangshülse wird beim Kalibrieren zurückgedrückt, die Hülse in der Regel danach noch gekürzt. Kritisch wird es, wenn Ausgangs- und angestrebte Hülse etwa gleich lang sind, und der Schulterwinkel der angestrebten Hülse größer ist. Denn dann stimmt der Verschlussabstand der Basishülse nicht mehr.
Vorsicht beim oft als Abhilfe empfohlenen „Ausblasen“ oder „Feuerformen“! Bei vielen Repetierern hält die Auszieherkralle so stark, dass die Zündung trotz mangelnder Anlage und viel zu großem Verschlussabstand funktionieren kann. „Feuerformen“ Sie in diesem Fall Ihre umgeformten Hülsen niemals mit Gebrauchsladungen! Bewährt hat sich eine etwa 0,2 mm über dem Kaliber liegende, in den Hülsenhals gedrückte Blei-Rundkugel, und eine volle Ladung Schwarzpulver.
Patronen mit Rand können wegen des Verschlussabstandes ebenfalls Probleme bereiten. Ist der Rand zu dick, lässt sich die Waffe nicht mehr schließen. Dann muss von vorne abgestochen werden. Über den Boden zu schleifen bringt wegen der erforderlichen Tiefe der Zündglocke nichts. Vorsicht bei zu dünnen Rändern, hier lauert wieder die Gefahr eines durch die umgeformten Patronen verursachten, zu großen Verschlussabstandes.
Für den Verschlussabstand relevante Hülsenzonen
Die Kreise in den Abbildungen markieren den für den Verschlussabstand bedeutenden Teil der Hülse. Diese Anlageflächen oder -formen beeinflussen den Verschlussabstand. Das heißt, bei einer Revolveroder Gewehrpatrone mit Rand ist die Dicke des Randes für den Verschlussabstand entscheidend. Deshalb: Achtung bei umgeformten Randhülsen, wenn die Dicke des Randes vom Original abweicht! Bei Schulterhülsen (Flaschenform) ist die Anlage der Schulter beeinflussend, bei Hülsenmundanliegern (meist Pistolenpatronen) die Hülsenlänge. Bei Gürtelhülsen fungiert der Gürtel als „Rand“, an dem die Patrone anliegt, und darüber den Verschlussabstand bildet.